Die Verfassung einer wissenschaftlichen Rezension ist eine herausfordernde, doch auch höchst befriedigende Angelegenheit. Man kann mit Recht behaupten, dass kaum eine andere Textsorte so besetzt ist mit Forderungen an die Verfasser bzw. die Verfasserin. Schließlich gilt es nicht nur, eine wissenschaftliche Arbeit kritisch und wohlwollend zugleich zu beurteilen, sondern auch den Leserinnen und Lesern eine dezidierte, partiell wertende Einschätzung der Relevanz und auch der Qualität der Arbeit zu vermitteln. Ich habe mir erlaubt, einige Schritte und Tipps zusammenzustellen, die mir geholfen haben, eine solche Textsorte zu bewältigen.
Was gehört zu einer Rezension einer wissenschaftlichen Arbeit?
Wichtige Elemente wissenschaftlicher Rezensionen:
- Wissensstand:
Der gesamte Forschungsstand zu einem bestimmten, abgegrenzten Thema; er ist die Basis, auf der eine Rezension entsteht. - Problemstellung:
Die Hauptfrage, die der Rezensent an das rezensierte Werk stellt; sie legt die Absicht der Rezension offen und macht die Absicht des Rezensenten für die Leser nachvollziehbar. - Argumentationslinie des Autors:
Wie der Autor in seiner Arbeit das Problem löst und zu seinen Ergebnissen kommt; das ist die Hauptsache, um die sich die Rezension dreht. - Zeitpunkt und Anlass:
Der Zeitpunkt und der Anlass einer wissenschaftlichen Rezension spielen eine entscheidende Rolle, um ihre Relevanz und ihren Kontext zu verdeutlichen. Jede Rezension entsteht nicht isoliert, sondern eingebettet in die aktuelle wissenschaftliche Diskussion. Der Rezensent sollte dabei zwei Aspekte besonders berücksichtigen:- Warum ist die Rezension gerade jetzt relevant?
Oft ist der Zeitpunkt durch aktuelle Entwicklungen im Forschungsgebiet bestimmt. Eine Rezension kann beispielsweise erforderlich sein, wenn eine Arbeit neue Erkenntnisse liefert, die bestehende Paradigmen in Frage stellen, oder wenn sie eine wichtige Lücke in der bisherigen Forschung schließt. - Was ist der konkrete Anlass für die Rezension?
Der Anlass kann vielfältig sein: die Veröffentlichung eines neuen Buches oder Artikels, der Abschluss eines Forschungsprojekts oder die zunehmende Aufmerksamkeit für ein bestimmtes Thema. In der Rezension sollte klar werden, warum gerade diese Arbeit im aktuellen Moment betrachtet wird und welchen Beitrag sie zum wissenschaftlichen Diskurs leistet.
- Warum ist die Rezension gerade jetzt relevant?
- Durch die Betrachtung von Zeitpunkt und Anlass erhält die Rezension eine zusätzliche Tiefe und ermöglicht es den Leserinnen und Lesern, die Bedeutung der Arbeit im größeren Kontext besser zu verstehen.
Aufbau der Rezension
- Einleitung:
In der vorliegenden Arbeit wird das gewählte Thema vorgestellt und die Relevanz des Themas erläutert. Es ist wichtig, hier den Forschungskontext grob zu umreißen, um die Leserschaft adäquat in die Arbeit einzuführen. Dadurch wird die zentrale Fragestellung genannt und ein grober Überblick über die Arbeit gegeben. - Struktur der Arbeit:
Die Arbeit wird durch drei Hauptpunkte strukturiert:- Erster Punkt: Methodik der Untersuchung.
- Zweiter Punkt: Ergebnisse der Analyse.
- Dritter Punkt: Wesentliche Schlussfolgerungen.
- Dabei wird der Verfasser nicht bewerten, was die Autorin oder der Autor der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Arbeit gemacht hat. Es wird lediglich berichtet.
- Kritische Analyse:
An dieser Stelle beginnt der eigentliche Bewertungsprozess. Die Methodik, die Daten und die Argumentation der Autoren werden einer eingehenden Analyse unterzogen:- Sind die Methoden angemessen?
- Werden die Ergebnisse überzeugend präsentiert?
- Sind die Schlussfolgerungen logisch?
- Vergleich zu anderen Arbeiten:
Diese Studie wird in den Kontext der bestehenden Literatur eingeordnet:- Sind ähnliche Arbeiten bekannt?
- Wie unterscheidet sich diese Studie von anderen?
- Diese Fragen klärend, erschließt sich die Bedeutung der Analyse und der Beitrag zur Fachliteratur.
- Schluss und Vorschläge:
Beenden Sie Ihre Rezension mit einem unmissverständlichen Fazit:- Empfehlen Sie die Arbeit?
- Warum oder warum nicht?
- Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit und zur weiteren Forschung sind in diesem Teil willkommen.
Wie man Forschungsergebnisse kritisch analysiert
Zentrale Schritte:
- Verstehen der Methodologie:
Bevor Sie die Ergebnisse bewerten können, müssen Sie die verwendeten Methoden verstehen. Überlegen Sie:- Sind die Methoden angemessen?
- Ist die Auswahl der Teilnehmer repräsentativ?
- Sind die Daten valide und reliabel?
- Bewerten der Resultate:
Analysieren Sie die präsentierten Resultate:- Sind sie klar und verständlich dargestellt?
- Werden die Ergebnisse durch statistische Analysen gestützt?
- Wurden mögliche Verzerrungen oder Fehler berücksichtigt?
- Analyse der Argumentation:
Überprüfen Sie die Argumentation der Autoren:- Sind die Schlussfolgerungen logisch und gut begründet?
- Wurden alternative Erklärungen ausreichend berücksichtigt?
- Nachvollziehen der Implikationen:
Überlegen Sie sich die praktischen Auswirkungen der Forschung:- Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für das Fachgebiet?
- Welche gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Konsequenzen könnten sich ergeben?
Struktur einer klaren und professionellen Rezension
- Einleitung (ca. 10 % der Rezension):
Vorstellung der Arbeit und Skizzierung der grundlegenden Forschungsfrage. - Zusammenfassung (ca. 20 % der Rezension):
Prägnante Darstellung der wichtigsten Punkte der Arbeit. - Kritische Analyse (ca. 50 % der Rezension):
Gründliche Bewertung der Methodik, Ergebnisse und Argumentation. - Vergleich mit anderen Arbeiten (ca. 10 % der Rezension):
Einordnung der Arbeit in den Kontext bestehender Literatur. - Schlussfolgerungen und Ratschläge (ca. 10 % der Rezension):
Endgültige Beurteilung und mögliche Vorschläge.
Fazit
Dafür, dass eine Rezension von wissenschaftlichen Arbeiten die Leser nicht noch verwirrter zurücklässt, als sie es vor der Lektüre schon waren, ist dezidierte Denk- und Schreibarbeit im besten Sinne gefordert. Mit den im Folgenden ausgeführten Schritten und Empfehlungen zielen wir darauf ab, Ihnen diese mit einer Rezension zu erbringende Aufgabe in verkürzter Form abzunehmen.
Wenn Sie Ihre Gedanken strukturiert und präzise verschriftlichen, dann bringen Sie mit einer Rezension im besten Falle auch einmal die nächste Generation ins Fachgebiet hinein.